New normal: Wie kann die Neurowissenschaft in der Pharma-HCP-Kommunikation unterstützen?

New normal: Wie kann die Neurowissenschaft in der Pharma-HCP-Kommunikation unterstützen?

Kommunikation

07.08.2023

New normal ist ein echter Gamechanger. Die Pharmawelt ordnet sich, insbesondere in Bezug auf zwei Aspekte, neu: zum einen ist es die Kommunikation zwischen Pharma und HCP und zum anderen ist es die größere Reichweite und Sichtbarkeit der Produkte durch die höhere Akzeptanz der digitalen Kanäle.

Wie erleben Ärzte aktuell das New normal? Noch nie haben Ärzte über so viele Kanäle Informationen von so vielen Pharmaunternehmen erhalten. Noch nie haben Ärzte so stark Kanäle und Außendienstmitarbeiter selektiert, um der neuen Flut an Informationen Herr zu werden. Diesen enormen Anstieg an Push-Informationen verschließen sich Ärzte zunehmend. Und: noch nie gab es so viele medizinische Informationen an so vielen digitalen Orten, wie Apps und Homepages, sodass es für Ärzte anspruchsvoll ist hier den Überblick zu behalten. Dennoch möchten Ärzte auf dem Laufenden bleiben und viele wünschen sich eine Betreuung. Ein Dilemma.

Wie also sieht eine zeitgemäße und gleichzeitig aus Sicht der Pharmaunternehmen ergebnisorientierte Kommunikation mit Ärzten aus und wie können hier neurowissenschaftliche Erkenntnisse unterstützen, um bei der Neuordnung des Marktes einen vorderen Platz zu erreichen?

Das Schlüsselwort ist: Effizienz. Ärzte haben wenig Zeit und sind der schon zuvor beschriebenen Flut von Informationen ausgesetzt, deshalb benötigen sie Informationen, die für sie relevant und auf den Punkt sind. Pharmaunternehmen stellen, auch auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, einen noch höheren ROI (Return on Investment) in den Mittelpunkt. Also ist in beiden Fällen Effizienz das Ziel und damit auch der Schlüssel: mit geringeren Kosten mehr Umsatz erreichen bzw. in kürzester Zeit relevante Informationen erhalten.

Damit beide Parteien gleichzeitig ihre Ziele erreichen, wenden wir uns jetzt der Neurowissenschaft zu. Die Lösung dieses scheinbaren Dilemmas liegt in der Funktionsweise des Gehirns. Das Gehirn arbeitet immer effizient, um Energie zu sparen. Das ist bekannt. Unser Gehirn tendiert dazu, für Entscheidungen den einfachsten, schnellsten und angenehmsten WEG zu wählen. (Kahneman 2012) Dazu nutzt es konkrete Prinzipien. Außerdem zeigen Untersuchungen mit der funktionellen Magnetresonanztomografie, kurz fMRT, dass sich Entscheidungen schon bis zu zehn Sekunden vor ihrer Bewusstwerdung an der Reaktionsweise im Gehirn erkennen lassen. Anders ausgedrückt: In unserem Gehirn werden Entscheidungen vorgebahnt und unbewusst getroffen, lange bevor wir uns bewusst entscheiden (Haynes et al. 2010). Wenn man also weiß, wie das Gehirn funktioniert und wie eine positive Entscheidung getroffen wird, dann kann man es dem Arzt leicht machen, genau diese zu treffen. Somit gewinnen beide Seiten: Pharma und Arzt.

Lassen Sie uns dies an einem Beispiel genauer betrachten. Nehmen wir an, dass Sie wichtige Informationen zu Ihrem Produkt haben, die sich der Arzt merken soll, z.B. den Mode of Action mit dem Ergebnis, dass es den Patienten schneller besser geht. Weiß der Arzt um diese Wirkung, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er bei geeigneten Patienten auf Ihr Produkt zurückgreift. Um dieses Ergebnis zu erreichen, können Sie die sehr wirkungsvolle Möglichkeit der produktzentrierten Metaphern einsetzen.

Metaphern sind gleich aus mehreren Gründen enorme Lernverstärker und unterstützen die Entscheidungsfindung des Arztes hoch effizient:

Erstens: Metaphern erzeugen Bilder im Kopf des Kunden, die er schon kennt und deshalb leicht und in Sekunden versteht. Das ist zeiteffizient. Gerade für Ärzte ist Zeit ein knappes Gut; für lange Erklärungen haben sie einfach keine Zeit. Durch Metaphern werden Gespräche vor Ort, am Telefon, per Videocall und auch Mails kürzer und gleichzeitig wirkungsvoller.

Zweitens: Des Weiteren nehmen Metaphern dem Gehirn Denkarbeit ab. Alles, was eine kognitive Leichtigkeit hat, erhält automatisch vom Gehirn den Vorzug gegenüber aufwändigen und zeitintensiven Informationen. Dieser Logik folgend, lässt sich zum Beispiel der First-Choice-Effekt erklären. Unter First-Choice versteht man, dass das Gehirn gern das auswählt, was einfach zu begreifen oder zu erfassen ist und auf den ersten Blick logisch erscheint. Ein Arzt entscheidet sich also eher für Ihr Präparat, da es die Metapher leicht versteht.

Drittens: Metaphern lösen durch Ihre Bildhaftigkeit leicht Emotionen aus. Erst Emotionen ermöglichen das Speichern und damit auch das Erinnern von Informationen. Studien wie die von Ambler et al. (2008) zeigen die unterschiedliche Wirkung von emotionaler und rationaler Werbung. Das Ergebnis: an emotionale Werbung erinnern sich Probanden besser als an eher faktische Werbung. Dieses Werbeprinzip ist übertragbar auf jede Kommunikation mit HCPs.

Möchten Sie für Ihr Produkt eine wirksame Metapher entwickeln, dann lassen Sie mich Ihnen noch einen abschließenden Tipp aus der Gehirnforschung geben. Finden Sie unbedingt eine positive Metapher und formulieren Sie diese auch positiv. Warum? Es gibt zwei Gehirnregionen die maßgeblich an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Die US-amerikanische Psychologin Anita Tusche und ihre Kollegen (Tusche et al. 2010) bestätigten in ihrer Studie: Je stärker der Nucleus accumbens und je weniger die Insula aktiv ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entscheidung positiv ausfällt. Um den Nucleus Accumbens im Gehirn zu aktivieren sind positive Formulierungen, Bilder und Emotionen nötig. Negatives aktiviert eher die Inseln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, ein erfolgreicher Omnichannel-Manager (Außendienstmitarbeiter) sollte die neuronalen Prozesse einer Entscheidungsfindung kennen und aktiv in der Kommunikation mit Kunden nutzen. Metaphern sind ein Weg, um die Funktionsweise des Gehirns gewinnbringend zu nutzen. Zudem lassen sich Metaphern kanalübergreifend gut anwenden, da sie enorm kurz und schnell zu verstehen sind – kurz in Wort und Schrift, ja sogar als Bild in Marketingunterlagen. In Sekundenschnelle kann eine gute Metapher eine Verordnungsmotivation auslösen. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaft, die Prinzipien des Neuro-Selling und Neuro-Marketings, bieten gerade in der aktuellen Zeit viele Möglichkeiten Ärzte kosteneffizient zu entwickeln.


Quellen:

Kahnemann D (2012) Schnelles Denken, langsames Denken. München: Siedler Verlag.

Tusche A, Bode S, Haynes J-D (2010) Neural responses to unattended products predict later consumer choices. The Journal of Neuroscience, 30(23): 8024-8031.

Ambler T, Ioannides A, Rose S (2008) Business Strategy Review, Volume 11, Issue 3 p. 17-30, Brands on the Brain: Neuro-Images of Advertising

New normal: die neue hybride Welt birgt viele Herausforderungen, bringt jedoch auch neue, große Chancen. Wie kann die Neurowissenschaft generell und insbesondere in der Pharma-HCP-Kommunikation unterstützen?